„Ich wünsche mir ein friedvolles, harmonisches Miteinander.“, „Ich sehne mich nach mehr Leichtigkeit und Freude in meiner Beziehung“. Kommen dir diese Gedanken bekannt vor?
Nicht immer gelingt es uns, Meinungsverschiedenheiten auf friedlichem Wege auszudiskutieren bzw. die Meinung des Anderen stehenzulassen, zu akzeptieren oder auch anzuerkennen. Nur allzu häufig arten Meinungsverschiedenheiten – welche im Übrigen vollkommen normal sind: ihr seid schließlich zwei Menschen mit zwei unterschiedlichen Lebenserfahrungen und daher auch Perspektiven, wie Dinge gesehen und gehandhabt werden – zu einem beidseitig unerwünschtem Streit aus.
Wie ihr konstruktiv mit Streit umgeht, um Konflikte auf verständnisvolle, wohlwollende Weise zu beenden, erfährst du in diesem Blogpost.
Was steht eurer Harmonie im Wege? Und nein, hiermit ist nicht das Wegräumen der Zahnpastatube oder das Vergessen des Müllrunterbringens gemeint. Warum kränkt mich das Verhalten meines Partners/ meiner Partnerin? Hat er oder sie möglicherweise einen “wunden Punkt“ getroffen, der gar nichts mit der Situation an sich zu tun hat, sondern weit zurück bis in die Kindheit reicht? Würde mein:e Partner:in mein Verhalten möglicherweise verstehen, wenn ihm/ ihr bewusst würde, dass das Vergessen des Müllrunterbringens – worum ich ihn/sie zuvor bat – unbewusst die schmerzliche Erinnerung triggert, dass ich als Kind regelmäßig von den Eltern in der Schule vergessen und nicht abgeholt wurde? Dass dieses scheinbar kleine Versäumnis Salz in die Wunde streut und das Gefühl triggert, nicht wichtig zu sein, nicht geliebt zu werden? Es gilt also, die “eigentlichen” individuellen wie auch gemeinsamen Konfliktthemen zu ermitteln, und Konflikte weg von der Inhalts- hin zur Beziehungsebene zu bringen. Es ging niemals um die Zahnpastatube (Inhaltsebene), sondern bspw. um das Gefühl nicht wichtig genug zu sein (Beziehungskonflikt).

Fakt ist: Viele Streitigkeiten könnten vermieden werden, wenn wir uns unserer “innerer Landmienen” (bzw. “Trigger”) bewusst wären und diese adäquat kommunizieren könnten. Dies würde uns ermöglichen, zu verstehen, was das jeweils eigene Verhalten im Gegenüber bewirkt. Stattdessen jedoch schieben wir die Schuld für unsere Verletzungen nur allzu gern dem anderen zu, verurteilen dessen Verhalten ohne zu verstehen, was dahintersteckt. Wir fühlen uns niedergeschlagen, sind enttäuscht und emotional verletzt.
Doch welche:r Liebende beabsichtigt seine:n Partner:in bewusst zu verletzen? Liebenden liegt es fern, dem/ der Geliebten Leid zuzufügen. Viel wahrscheinlicher ist es daher, dass dem Streit ein Mangel an Wissen über das eigene Selbst oder fehlerhafte Kommunikation zugrunde liegt.
Kommen wir nun also zu den drei Schritten, welche es benötigt, um wieder zueinander zu finden:
Schritt 1: Verantwortung übernehmen.
Selbst zutiefst friedvolle Menschen – wie etwa Yogis – (ich höre meinen Freund schon innerlich lachen, wenn er diese Zeilen liest) – streiten einmal. 😉 Und das ist ok! Worauf es jedoch ankommt, ist Verantwortung für das eigene Fühlen, Denken und Handeln und die dem/ der Partner:in entgegengebrachten Reaktionen zu übernehmen. Das bedeutet, dass wir ehrlich zu uns selbst sind und uns über die eigenen 50% der Streitursache bewusst werden, denn bei Paarkonflikten sind stets beide beteiligt und für jeden liegt darin eine ganz individuelle Entwicklungsaufgabe. Meinungsverschiedenheiten sind per se nichts schlechtes, denn sie bieten uns die Möglichkeit zu persönlichem Wachstum, die Möglichkeit dazuzulernen.
Schritt 2: Perspektivwechsel
Das Einfühlen in die Lage des Partners ist auf dem Weg zur Streitdeeskalation ein weiterer wichtiger Schritt. Dieser Rollentausch ermöglicht uns zum Einen, zu verstehen, wieso der/die Partner:in handelte, wie er/sie es tat und zum Anderen hilft er uns dabei, zu erkennen, wie das eigene Verhalten den/die Partner:in verletzt.
Häufig nehmen wir an, dass unser:e Partner:in als scheinbare:r “Verursacher:in” des eigenen Leids es wohl auch so gemeint haben müsse und die dahintersteckende böse Absicht positiv mit der empfundenen Schmerzintensität korreliere, sprich: Je intensiver der Schmerz, desto böser die Absicht. Dies sind weit verbreitete Irrtümer, denn wie bereits erwähnt, liegt es Liebenden fern einander zu verletzen. Für Verhalten, gibt es stets Gründe, welche es in Erfahrung zu bringen gilt. Beim Streiten gilt also die Devise: erst verstehen, dann verstanden werden. Eine nützliche Technik zur Klärung von Missverständnissen ist das sogenannte “Rücken-an-Rücken-Gespräch“. Dies ist eine Technik aus der Paartherapie, um Streitigkeiten auf Augenhöhe und vorwurfsfrei zu klären.
Übung: Das Rücken-an-Rücken-Gespräch:
1.) Optional: Vllt. möchtet ihr euch vor dem Gespräch noch ein paar Notizen machen, das ist vollkommen in Ordnung. Überlegt euch, was ihr eurer/eurem Partner:in mitteilen möchtet.
2.) Setzt euch Rücken an Rücken. Nehmt zunächst ein paar tiefe, gemeinsame Atemzüge. Prämisse dieses Gespräches ist: sprecht wohlwollend miteinander und vermeidet Verwürfe und Anschuldigungen. Sprecht hierzu möglichst aus der Ich-Perspektive.
3. ) Person A beginnt das Gespräch und erläutert ihre Sichtweise der Situation. Person B hört dabei aufmerksam zu. Kein Augenrollen, kein Seufzen. Denkt immer daran: Ihr möchtet einander verstehen und Frieden schließen. Ihr seid ein Team: Miteinander statt gegeneinander. Person A geht hierbei bspw. auf die folgenden Fragen ein: Wieso ist mir das Thema so wichtig? Wie geht es mir damit? Was fehlt mir dabei? Was wünsche ich mir eigentlich?
4.) Person B gibt wieder, was verstanden wurde. Eine Frage zum Abschluss der Zusammenfassung könnte lauten: „Verstehe ich dich richtig?“ Person A hat im Anschluss nun nochmals die Möglichkeit auf etwaige Unklarheiten einzugehen.
5.) Nun ist Person B an der Reihe und erläutert wiederum die eigene Sichtweise der Situation.
6.) Im Anschluss gibt Person A wieder, was verstanden wurde. Auch hier besteht erneut die Möglichkeit zur Klärung von Unklarheiten.
7.) Im vorletzten Schritt gilt es, Lösungsvorschläge zu formulieren. Sowohl Person A als auch Person B notiert potentielle Vorschläge zur Lösung des Problems.
8.) Zu guter Letzt kommt es bestenfalls zur Kompromissfindung. Ihr präsentiert einander eure Lösungsmöglichkeiten und stimmt nun gemeinsam darüber ab. Geht hierbei möglichst wenig argumentativ vor, sondern stimmt mittels der “inneren Skala” ab. Es geht hierbei also nicht darum, was nun nüchtern betrachtet theoretisch sinnvoll ist oder nicht, sondern darum, ob es sich für euch stimmig anfühlt. Eine 0 entspricht dem inneren Gefühl von “geht gar nicht”; eine 10 hingegen wäre eure Optimallösung. Alles, was <6 ist – und sei es nur für einen von euch beiden! – wird sofort verworfen, da es andernfalls ein “fauler Kompromiss” wäre, der euch langfristig nicht zufriedenstellen wird.
Schritt 3: Um Verzeihung bitten und Vergeben
Nachdem bestenfalls ein guter Kompromiss für beide gefunden wurde, gilt es, sich für den eigenen Anteil des Konflikts sowie zugefügter Verletzungen bei dem/der Partner:in zu entschuldigen und auch diesem/dieser seine/ihre Fehler zu verzeihen. Dein:e Partner:in sollte wissen, dass es dir leid tut und, dass du über die Thematik selbstkritisch reflektiert hast. Wir sind Menschen und es liegt in unserer Natur, Fehler zu machen. Dein:e Partner:in weiß das – hoffentlich – genauso gut wie du.
A relationship without hard moments doesn’t exist. Even emotionally mature people will not get it right every time. (…) There will be occasional down moments as you learn to love each other better.
– Yung Pueblo
Ich wünsche dir und deinem/deiner Partner:in viel Freude auf der gemeinsamen Reise.
Von Herzen
deine Franzi
Quellen
Bechert-Möckel, C. (2021). Drei Kommunikationsstrategien aus der Paarberatung für die Bewältigung von Beziehungskonflikten – wie sich Streit und Machtkämpfe beenden lassen und Lösungen entstehen können. Zugriff am 28.10.2021. Verfügbar unter https://open.spotify.com/episode/5kNeLrV0HwxOOfMiqstfN4?si=W0N0hZ5DTY6jWvyl6OfJ7w
Röser, B. & Röser, U. (2020). Das verletzte innere Kind und die Liebe. Ostfildern: Patmos.
Sachse, R. (2017). Konflikt und Streit – wie wir konstruktiv mit ihnen umgehen. Berlin: Springer.